Sie haben geerbt? Das müssen Sie wissen.


Zunächst die gute Nachricht für Erben:

Seit Ende März 2022 sind Steuerberatungskosten des Erben für die Nacherklärung von Steuern, die der Erblasser hinterzogen hat, als Nachlassregelungskosten gemäß § 10 Abs. 5 Nr. 3 S. 1 EStG steuerlich abzugsfähig.

Das ist die neue Rechtslage nach einem Urteil des BFH vom 14.10.2020 (AZ II R 30/19), das vom Bundesfinanzministerium am 30.03.2022 im Bundessteuerblatt Teil II veröffentlicht und somit zur Anwendung in gleichgelagerten Sachverhalten freigegeben wurde. Der BFH hatte sich gegen die Länderfinanzverwaltungen gestellt. Diese schließen sich nunmehr dem BFH an und haben am 09.02.2022 geänderte Erlasse, sog. "Gleich lautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder", erlassen. Diese wurden am 30.03.2022 im Bundessteuerblatt Teil I veröffentlicht.


Bei Steuerhinterziehung verjährt der Steueranspruch des Fiskus erst nach 10 Jahren "plus X":

Im Urteil vom 29.08.2017, VIII R 32/15, hat der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden, dass sich die Festsetzungfrist aufgrund einer Steuerhinterziehung bei einem Erbfall auch dann auf 10 Jahre verlängert, wenn der demenzkranke Erblasser ausländische Kapitaleinkünfte nicht erklärt, jedoch ein Miterbe von der Verkürzung der Einkommensteuer wusste und selbst eine Steuerhinterziehung begeht, indem er die unrichtige Steuererklärung des Erblassers nicht von sich aus gegenüber dem Finanzamt berichtigt, und das sogar, obwohl die Steuererklärung des Erblassers wegen dessen Demenz unwirksam war.

Wie der  BFH betont, gilt dies auch zu Lasten aller anderen Miterben, auch wenn sie weder selbst eine Steuerhinterziehung begangen haben noch von dieser wussten.

Das heißt konkret:

Der Fiskus darf die Einkommensteuer (!) des Verstorbenen
noch 10 Jahre (plus x Jahre) ZURÜCK einschließlich 6% Nachzahlungszinsen pro Jahr
von ALLEN Miterben nachfordern!
Also auch von einem Miterben, der überhaupt nichts davon wusste, dass der Verstorbene Steuern hinterzogen hatte!

Dieses Urteil zeigt, wie rasch sich ein Erbe einer eigenen Steuerhinterziehung schuldig machen kann, so dass gegen ihn ein Strafverfahren wegen Steuerhinterziehung eingeleitet wird - mit der Folge, dass sich dies auch auf die Miterben auswirkt. Wie meine Praxiserfahrung zeigt, ist dieses Thema weitgehend unbekannt.

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Beispiel:

Alleinerbe E aus Göttingen sieht nach dem Tod seines Vaters, der ebenfalls in Göttingen gewohnt hat, in dessen Unterlagen, dass der Vater ein Konto im Ausland besaß, dessen Erträge der Vater nicht in seinen Einkommen­steuer­erklärungen angegeben hatte. Zunächst freut sich E über das bisher unbekannte Vermögen. Aber wenn der Erbe jetzt unüberlegt handelt, macht er sich strafbar:

Erstens:

Der Erbe ist nach den Steuergesetzen verpflichtet, die Abgabe der unzutreffenden Einkommen­steuer­erklärungen durch den Vater gegenüber dem Finanzamt Göttingen anzuzeigen.

Er muss somit für alle Jahre, die noch nicht verjährt sind, die Kapitalerträge nach erklären und hierfür die Steuern samt Zinsen nachzahlen. Betroffen sind alle noch nicht steuerlich verjährten Jahre. Die steuerliche Verjährungsfrist beträgt hier eigentlich 10 Jahre; aber wegen der sog. Anlaufhemmung der Verjährung muss in den meisten Fällen 12 - 13 Jahre zurückgegangen werden.

Unterläßt der Erbe E die Anzeige an das Finanzamt, so begeht er eine eigene Steuerhinterziehung gemäß § 370 Abgabenordnung (AO) durch Verletzung der Anzeigepflicht nach § 153 AO hinsichtlich der aus dem Nachlass stammenden Einkommen­steuer­ansprüche. Der Erbe macht sich strafbar!

Zweitens:

Daneben muss er das Konto in der Schweiz gemäß § 30 Erbschaftsteuer- und Schenkung­steuer­gesetz auch dem Finanzamt Hildesheim, das für Erbfälle in Göttingen zuständig ist, anzeigen und in der Erbschaft­steuer­erklärung angeben. Andernfalls liegt hierin eine weitere Steuer­hinterziehung. Der Erbe macht sich selbst auch hierdurch strafbar.

Drittens:

Sämtliche Kapitaleinkünfte aus der Schweiz muss Erbe E ab dem Todestag auch in seinen eigenen Einkommen­steuer­erklärungen ans Finanzamt Göttingen angeben, sonst begeht er eine weitere Steuerstraftat.

Das sollten Sie bedenken:

Der Fiskus erfährt spätestens mit dem Tod des Erblassers nicht nur von allen inländischen, sondern auch von den ausländischen Konten und Immobilien. Denn Banken, Versicherungen und Notare haben eine umfangreiche gesetzliche Meldepflicht. Den endgültigen Abschied vom Bankgeheimnis dokumentiert ein aktuelles Urteil des Bundesfinanzhofs: sogar der Inhalt eines Bankschließfachs in einer ausländischen Bankfiliale muss von der Bank an die deutschen Behörden gemeldet werden, wenn der Schließfachinhaber stirbt.

Tipp:

Der Erblasser sollte noch zu Lebzeiten »reinen Tisch« machen und die Möglichkeit der Selbstanzeige nutzen. Sonst hinterläßt er seinen Erben nur Ärger und Scherben.